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21. Weihnachten im Fehnhaus

Es war das erste Weihnachten ohne seine Mutter. Vor etwas mehr als acht Monaten starb sie ganz plötzlich. Klar, sie war mit 78 nicht mehr die Jüngste, trotzdem hatte er sich für sie noch ein paar schöne Jahre gewünscht. Ändern konnte er nichts ­daran, auch nicht seine Tränen.

Er war ihr einziges Kind. Der Vater starb schon 20 Jahre zuvor, und so saß er nun allein in dem alten Fehnhaus, in dem sie sein ganzes Leben lang gewohnt hatten.

Alles erinnerte an sie. Die Deckchen unter den Porzellanfiguren auf der Fensterbank hatte sie selbst gehäkelt. Auf der Kommode standen kleine Miniaturwindmühlen, die hatte sie so sehr gemocht. Jeder wusste das, und so kam nach und nach eine stattliche Sammlung zusammen. Nach ihrem Tod hatte er nichts verändert.

Da saß er nun am Weihnachtsabend in der Wohnküche vor dem Fernseher, die Füße auf dem Hocker abgelegt, und wartete. Er wartete, dass auch dieser einsame Abend vorüberging. Überraschend klingelte es. Durch das Milchglas der Tür konnte er schemenhaft drei Personen entdecken: eine große und zwei kleinere. Er öffnete die Tür. Es war die Nachbarin mit ihren beiden Söhnen.

„Hallo, Martin!“, sagte sie: „Wir wollen dich zu uns einladen!“

Mit großen Augen schaute er seine Nachbarin fragend an. „Mich? Warum das denn? Es ist doch Weihnachten!?“

„Ja, genau deswegen“, sagte sie und legte ihre Hände auf die Schultern ihrer Söhne: „Deine Mutter hatte mir im letzten Jahr noch das Rezept für ihren Weihnachtsbraten gegeben. Den habe ich jetzt gemacht, und wir wollten fragen, ob du nicht zu uns zum Essen kommen möchtest.“

Seine Augen füllten sich mit Tränen, verlegen knetete er das Taschentuch in seiner Hosentasche.

„Komm einfach in zehn Minuten rüber, dann habe ich alles fertig“, dann gingen sie und ihre Söhne den Weg zurück zur Straße. An der Gartenpforte drehte sie sich noch einmal zu ihm um: „Frohe Weihnachten, Martin!“