Foto: Merle Specht

23. Mal angenommen, es ist Weihnachten

Mal angenommen, der Braten ist misslungen. So richtig. Auf die „Rauchschwaden in der Küche“-Art.

Mal angenommen, der Baum fing Feuer. Hätten wir mal besser aufgepasst. Oder gleich Elektrokerzen genommen.

Mal angenommen, die gut versteckten Geschenke sind so gut versteckt worden, dass sie niemand wiederfindet. Nicht einmal die Kinder.

„Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude …“

Die Decke der Kirche ist zu hoch, als dass sie von den wenigen Kerzen ausgeleuchtet werden könnte. Die gotischen Säulen tragen die Nacht weit aufgespannt über der Gemeinde. Die ersten Töne von „Stille Nacht“ schweben durch den Raum. Gespielt von einer ungeahnt flötigen Orgel.

„Christ, der Retter ist da.“

Altvertraute Worte strömen aus meinem Mund. Es ist nicht so, dass ich bewusst singe, es ist eher, als ob der Raum diese Zeilen erbittet, ersehnt, eratmet.

Kurz denke ich an das, was alles schiefgehen kann an diesem Tag: an misslungene Braten. An halb verbrannte Bäume. An nicht auffindbare Geschenke.

„Lass fahren dahin“, denke ich mir und lächele bei dem Gedanken, dass Gott nichts anbrennen lässt. Dass das Feuer seines Geistes keinen Rußfleck an Wohnzimmerdecken hinterlässt. Dass sein Geschenk nicht versteckt ist.

Mal angenommen, es ist Weihnachten.