Foto: Chuttersnap auf Unsplash (Bearbeitung: EMA)

24. Türkise Sterne

Es ist noch hell draußen, als wir mit unseren Fahrrädern – auf der linken Straßenseite fahrend – in die Allee mit den blühenden Jacaranda-Bäumen einbiegen. Die Farbenpracht wirkt in der Abendsonne surreal, als ob Gott einen Instagram-Filter über die Wirklichkeit gelegt hätte. Auch das Zirpen der Zikaden und der Grillgeruch, der von einem Balkon herüberweht, wirbeln mein Gemüt durcheinander, denn wir kommen gerade von einem Heiligabend-Gottesdienst. Im Sommer. In einer deutschen Gemeinde. Niemand sonst feiert hier schon am 24.

So richtige Weihnachtsstimmung hat sich bei mir noch nicht eingestellt. Stattdessen Ratlosigkeit, wie ich unser erstes Weihnachtsfest als Paar alleine am anderen Ende der Welt angemessen begehen könnte. Der Schweiß, der meine Stirn benetzt, will nicht so richtig zu den Klängen von „O du fröhliche“ passen. Ist meine Gefühlswelt doch so abhängig von den Ritualen meiner norddeutsch-protestantischen Kultur und Klimazone?

Wir nähern uns dem Studentenwohnheim Plumbago. An das Surren der elektrischen Sicherheitszäune habe ich mich noch nicht gewöhnt. Aber der warmherzige Security-Guard Patrick grüßt uns herzlich. Wir betreten die Männer-WG, in der ich zu Gast bin. Alle außer meinem Partner und mir sind ausgeflogen. In der Küche stapelt sich das Geschirr, auch im Gemeinschaftsraum herrscht Durcheinander. Nicht hilfreich, denke ich, während ich meine fehlende Weihnachtsstimmung zu bedauern beginne.

Schnell greife ich nach einer Schere und der einzigen Rolle Geschenkpapier in Türkis und schneide ein paar Motive aus, um sie mit Tesafilm an die Wand zu kleben. Türkise Sterne und Weihnachtsbäume an kahlen Männer-WG-Wänden in brütender Hitze – dieser verzweifelte Versuch bringt uns doch zum Lachen.

Da ploppt ein Ohrwurm auf. Es ist ein Weihnachtslied aus dem Gottesdienst vorhin:

„Kersfees kom, Kersfees kom, gee aan God die eer. Skenk ons’e helder Somerkersfees, in hierdie land, o Heer.“ (Weihnachten kommt, Weihnachten kommt, gebt Gott die Ehre. Schenke uns ein strahlendes Sommerweihnachtsfest, in diesem Land, oh Herr.)

Ich werde innerlich ruhig. Selten hat ein Weihnachtslied so in meine Situation gepasst. Und ich spüre: An Weihnachten über Gott staunen, das geht überall auf der Welt.

– Angela Kirschstein  • Vikarin in der Kirchengemeinde Detern