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8. Ich mag euren Plätzchenduft nicht mehr riechen

Ich mag euren Plätzchenduft nicht mehr riechen, an der Weihnachtsgans habe ich kein Gefallen, tu weg von mir das Geplärr von Last Christmas (vgl. Am 5,21–23). Der Vorweihnachtskitsch macht mich fertig. Ständig höre ich im Radio „Viel Spaß bei euren Familien!“ „Bestimmt seid ihr jetzt mit euren Liebsten zusammen.“ Nie höre ich, dass die Suizidrate um Weihnachten herum am höchsten ist. Dass es jedes Jahr aufs Neue Menschen gibt, für die es das erste Fest ohne ihn/ohne sie ist. Oder die schon seit langer Zeit furchtbar einsam sind. Alle diese Menschen sind heilfroh, wenn sie diese Tage endlich überstanden haben. Kleiner Tipp, woran man sie vielleicht erkennt: Die Weihnachtsdeko ist spärlich und nicht länger aufgestellt, als die Konvention es gebietet. Ach ja, und sie sind echt unglücklich. Offen zeigen tun sie das natürlich nicht. Und um Himmels willen würden sie sich nicht selbst zum Familienessen einladen. Schließlich hat man seinen Stolz. Sie wollen ja auch niemandem die Festtagslaune verderben. Wo kommen wir denn da hin, wenn der griesgrämige Onkel an Heiligabend mit am Tisch sitzt und die Stimmung trübt? Und ich meine echte Menschen, die ihre wirklich unangenehmen Ecken und Kanten haben und sich nicht wie in „Der Kleine Lord“ auf wundersame Weise von griesgrämig in liebenswert verwandeln.

Bevor ich nun aber als Moralapostel gelte, hier die obligatorische Selbstverfluchung: Ja, ich bin ja selbst nicht besser. Also hier mein praktischer Vorschlag: In diesem Jahr stellen du und ich „Tatsächlich Liebe“ eine halbe Stunde später an und schreiben der einen einsamen Person in der Verwandtschaft eine Karte oder rufen sie sogar an. Für uns ist es ein kleiner Punkt auf der To-do-Liste. Für sie vielleicht das Highlight der Woche.